Tagebucheintrag vom 14.01.2006
 
German Church School in Addis Abeba - von Claudia
 

Ein erfolgreiches Hilfsprojekt in Aethiopien

In Addis Abeba, der Hauptstadt Aethiopiens, hat  die Evangelische Gemeinde Deutscher Sprachen seit vielen Jahren eine Kirche, ein Gemeindehaus und ein Pfarrhaus. Die Kirche liegt im Norden von Addis, in einem armen, orthodoxen Viertel, einem sozialen Brennpunkt. Aber die Aktivitaeten beschraenken sich nicht auf die Seelsorge der deutschen Gemeinde. Seit 1966 gibt es eine Schule auf dem Gelaende der Kirche. Die Idee: Kindern aus der Umgebung durch eine gute Schulausbildung zu einer Chance auf ein besseres Leben zu verhelfen. Die Haelfte der Bevoelkerung in Addis lebt als Tageloehner von Jobs wie Schuhputzen, Parkbewachung, Betteln oder auch Prostitution. Es gibt keine soziale Absicherung, die Menschen leben am Rande des Existenzminimums.
Eine vielversprechende Moeglichkeit diesem Schicksal zu entgehen ist eine gute Schulausbildung und Berufsausbildung. Facharbeiter werden in Aethiopien in allen Berufszweigen dringend gebraucht.
Zu Beginn des Projekts war die Schule noch in archaisch anmutenden Rundhuetten unterbracht. Doch durch die tatkraeftige und finanzielle Unterstuetzung verschiedener Hilfsorganisationen sowie deutscher und finnischer Pateneltern ging die Entwicklung unaufhoerlich weiter. Nachzulesen ist die interessante Geschichte der Schule auf der aktuellen Homepage (s.u.). Im Internet Auftritt werden auch aktuelle aktivitaeten rund um die German Church School dokumentiert.

1996 wurden die alten, inzwischen viel zu kleinen Schulgebaeude abgerissen und durch einen modernen zweigeschossigen Neubau ersetzt. Hier werden im Schichtbetrieb 1200 Schueler bis zur Klasse 8 unterrichtet. Morgens werden 350 Schueler der unteren Klassen, mittags weitere 350 Schueler der hoeheren Klassen unterrichtet. Aus Raumnot wechseln die Schueler der Klasse 9 und 10 dann auf die staatlichen Schulen.Die Lehrkraefte der Schule unterrichten abends die Eltern und Geschwister der Schueler. Die meisten von Ihnen koennen weder lesen noch schreiben oder rechnen.In den Abendkursen werden Amharische Rechtschreibung, lesen und die Grundrechenarten vermittelt. Am Samstag vormittag erhalten die Schueler der Klassen 9 und 10 einen zusaetzlichen Foerderunterricht. Die Klassenstaerke besteht aus 40 Schuelern. Das ist die Haelfte der Klassenstaerke der staatlichen Schulen.
Es gibt einen Handarbeitsraum und ein Labor fuer Physik und Chemie.
Seit 1990 gibt es das Projekt des integrierten Unterrichts mit blinden und sehenden Schuelern in gemeinsamen Unterrichtsstunden. Jedem blinden Kind ist ein sehender Schueler (eine Art Tutor) zugeordnet. Die Schule hat Unterrichtsmaterial in Brailleschrift und spezielle, auf die Beduerfnisse der blinden Schueler zugeschnittenen Computerprogramme. Das aktuelle Projekt ist der Bau einer Sporthalle, die sowohl den Sportvereinen des Stadtteils, als auch den Schuelern der German Church School zur Verfuegung steht.

Fuer die Initiatoren des Projekts beschraenkt sich die Arbeit in der Schule aber nicht auf das reine Vermitteln von Schulwissen.
Da die meisten Kinder ohne Fruehstueck in die Schule kommen gibt es um 10.00 Uhr eine Schulspeisung. Diese besteht aus einem grossen Broetchen und einer Banane, dazu einmal die Woche ein halber Liter Milch. "Seit wir die Milchration eingefuert haben, haben die Kinder viel weniger Hautkrankheiten" erklaert Pfarrer Hans - Joachim Krause. Eine Krankenschwester betreibt eine Krankenstation, die allen Schuelern offen steht. Fuer jeden Schueler wird eine Krankenakte angelegt. Wenn ein Kind erkrankt, kommt es zuerst zur Krankenstation der Schule. In schwerwiegenderen Faellen erfolgt die Ueberweisung zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus. Die Schule uebernimmt dabei die anfallenden Kosten, da diese von den Familien nicht getragen werden koennen. Die Krankenschwester erteilt auch Hygieneunterricht und informiert ueber die Gefahren von Aids. Die Ansteckung mit HIV ist eines der groessten Gesundheitsprobleme in Aethiopien. Auf dem Schulgelaende gibt es Duschen, jeder Schueler kann einmal pro Woche duschen, Seife wird von der Schule gestellt. Im Schulhof stehen eine Wasserstelle und Toiletten zur Verfuegung.
Toiletten sind bei den beengten Wohbverhaeltnissen aus denen die Kinder kommen eine Besonderheit.
Die Schule beschaeftigt zwei Sozialarbeiter. Ein weiblicher und ein maennlicher Sozialarbeiter kuemmern sich um die Schueler und deren Familien. Die Tuer zum Sozialraum steht immer offen, die Schueler koennen mit ihren familiaeren und sonstigen Problemen zu den Mitarbeitern kommen. Die Sozialarbeiter, Jeremias (der fuer das Patenamt zustaendig ist), der Schuldirektor und der deutsche Pfarrer besuchen die Familien auch zu Hause. Dort erkundigen sich nach Problemen, versuchen Hilfestellung zu geben und Loesungswege aufzuzeigen. Oft reicht ein kleiner Anstoss zur Selbsthilfe und eine Familie sieht wieder eine Perspektive.

Jedes Jahr werden 80 neue Kinder (2 Klassen) in die Schule aufgenommen. 2005 haben sich 800 Kinder auf diese Plaetze beworben. Daher muss die Schule leider eine Auswahl treffen. Folgende Kriterien muessen die Kinder erfuellen um aufgenommen zu werden:
Sie muessen 7 Jahre als sein und ein Jahr in einer staatlichen Schule gewesen sein, also lesen und schreiben und ein bisschen rechnen koennen. Dies wird mit einem Test geprueft. Maedchen werden bei diesem Auswahlverfahren bevorzugt behandelt da in afrikanischen Gesellschaften Frauen traditinell benachteiligt sind. Die Kinder muessen im Umkreis von ca. 5 km wohnen und die Familien muessen beduerftig sein, d.h. das Familieneinkommen liegt bei max. 200 - 300 Birr monatlich (umgerechnet etwa 20 Euro). Zum besseren Verstaendnis: ein Brot kostet 1 Birr, in einem einfachen Restaurant kostet das Nationalgericht Injera 7 Birr, zu Hause hergestellt kostet die Injera mit einer vegetarischen Sosse 3- 4 Birr. Die Familien bestehen meist aus vielen Personen, da Kinder in Aethiopien als Geschenk Gottes willkommen geheissen werden und als Altersversorgung und Einkommensbringer gebraucht werden.

Alle Kinder werden zur Einschulung untersucht. Die meisten Schueler leben mit ihren Familien in sehr beengten Verhaeltnissen. Die Wohnung besteht aus einem Raum in dem gekocht, gewohnt und geschlafen wird. Es gibt kein fliessendes Wasser, keine Toiletten und normalerweise auch keinen Strom.
Die deutsche Kindernothilfe, die ca. 150 Patenschaften uebernommen hat, hat jetzt eine Untersuchung durchgefuert um herauszufinden, was aus ehemaligen Schuelern der Schule geworden ist. Diese Evaluation wird bestimmt auf der Website der Schule veroeffentlicht. Die Bilanz kann sich wirklich sehen lassen: 80% der ehemaligen Schueler haben einen Beruf und koennen sich und ihre Familien dadurch ernaehren.
Pfarrer Hans Joachim Krause und seine Frau Gerlinde Krause sind seit 6 Jahren in der Gemeinde und der Schule taetig und reisen Ende Januar 2006 mit mindestens eineinhalb weinenden Augen nach Deutschland zurueck. "Hier in Aethiopien zaehlt jeder Tag doppelt" erklaert Gerlinde Krause. Die intensive Arbeit mit den aethiopischen Mitarbeitern, die Entwicklung der Schule mitzugestalten und die Entwicklung der Schueler zu verfolgen ist aufregend, arbeitsintensiv und befriedigend.
Weitere Informationen ueber die Schule koennen auf folgenden Websiten nachgelesen werden: www.kk-addis.de (die Website der Evangelischen Gemeinde dort) und www.germanchurchschool.de. Dort oder ueber die Postadresse (German Church School, P.O. Box 1139, ET Addis Abeba) sind auch Patenschaftsantraege zu erhalten. Wie geschrieben wurden im September 2005 80 neue Kinder in die Schule aufgenommen, d.h. es werden Paten fuer diese Schueler gesucht. Aber auch andere Aktivitaeten (z.B. eine zweite Milchration pro Kind und Woche) benoetigen noch Unterstuetzung - sprich Geldgeber.
Ich habe mir die Schule und deren Aktivitaeten genau angeschaut, da ich selbst ein Patenkind in dieser Schule habe. Ruth ist inzwischen 11 Jahre alt und in der 5 Klasse und ich konnte sie zum ersten Mal besuchen. Da es immer wieder Meldungen ueber dubiose Patenschaftsorganisationen gibt, war ich schon gespannt wie es auf "meiner" Schule ablaeuft und ich bin sehr begeistert. Hochmotivierte Mitarbeiter und Lehrer, die stolz auf "ihre" Schule sind und Kinder, die ihre Chance begreifen machen dieses Projekt zu einem vollen Erfolg.

 
zurück